Talk about mit Laila Wahle
Interview mit Laila Wahle, Klinikmanagerin beim Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift
vom 03.06.2022
Was waren die Hintergründe für Ihr Projekt SekMa –Sektorübergreifende Optimierung des Entlassmanagement?
Laila Wahle: Wir haben in unserem Krankenhaus immer wieder erlebt, dass Patientinnen und Patienten, aber auch Beteiligte wie Hausärzte, Pflegekräfte oder Angehörige bezüglich des Entlassmanagements teilweise verunsichert waren oder Mühe hatten, alle für die Genesung hilfreichen Informationen rasch zu erhalten. Wir sehen relativ viele Patienten innerhalb von 72 Stunden im Krankenhaus wieder z. B. die Wundpatienten. Diese Patienten überlasten unnötigerweise die Notfallambulanz. Das war der Hauptgrund, warum wir gesagt haben, wir müssen diese Patientengruppe besser in den Blick nehmen und die sektorenübergreifende Überleitung besser gestalten. Wohl wissend, dass die Finanzierung dies derzeit nicht wiedergibt. Unsere Finanzierung endet, wenn der Patient das Krankenhaus verlässt und die Finanzierung der Pflegeheime beginnt, wenn der Patient im Heim ankommt. Danach gibt es keinen Austausch mehr, außer mit dem Hausarzt, der den Patienten im Heim betreut und sich die Informationen meist mühsam zusammensuchen muss. Die Informationen, die der Hausarzt über den Arztbrief erhält, sind aus Sicht des Krankenhauses korrekt und in Ordnung. Es sind aber nicht alle Informationen enthalten, die der Niedergelassene wirklich braucht. Dem niedergelassenen Arzt ist zum Beispiel die Sozialanamnese und der Pflegegrad sehr wichtig. Das zu erweitern und zu verbessern war unser wesentliches Anliegen. Mit dem Projekt wollen wir das Entlassmanagement vereinfachen und digitale Schnittstellen zwischen den Beteiligten eröffnen. Zum Beispiel erhalten die Nachversorger die Möglichkeit, sich mithilfe der Videosprechstunde direkt an das ärztliche Personal zu wenden und so rasch gemeinsam die richtigen Entscheidungen für die Patientin und den Patienten zu treffen. Wir haben daher in unseren Konzepten Beteiligte als Teilnehmer gewählt, die diese Patientengruppe in den Blick nehmen. Die Projektteilnehmer kommen aus unterschiedlichen Bereichen wie Pflegeheimen und drei Ärztenetzen mit 100 Ärzten und natürlich unser Haus, das Antragsteller und somit Projektinitiator war.
Wie sind Sie auf den Versorgungssicherungsfonds aufmerksam geworden?
Laila Wahle: Den haben wir früh entdeckt. Wir sind 2018 über ein Ärztenetz darauf aufmerksam gemacht worden.
Wie aufwendig und kompliziert waren Antragstellung und laufende Dokumentation?
Laila Wahle: Im Gegensatz zu den Innovationsfondsprojekten, wenn man sich die Anträge so anschaut, war der Aufwand moderat. Wir haben uns mit der Projektskizze sehr viel Mühe gegeben, eigentlich mehr als im Antrag verlangt wurde. Der Antrag selbst hat zwei oder drei Seiten, es war also nicht besonders aufwendig ihn auszufüllen. Bezüglich der Dokumentation wurden einmal pro Jahr Sachberichte geschrieben. Sie waren sehr überschaubar, auch hier haben wir mehr gemacht als wir hätten eigentlich machen müssen. Wir haben z. B. kleine Projektänderungen auch unterjährig dem Sozialministerium kommuniziert, damit es auf dem Laufenden bleibt.
Wie lange hat der Genehmigungsprozess gedauert?
Laila Wahle: Sehr schnell. Im Prinzip hatten wir nach vier Wochen schon die mündliche Zusage. Es wurden dann noch einige Unterlagen nachgefordert und dann hat es noch ein wenig gedauert, bis der offizielle Förderbescheid vorlag. Insgesamt waren es ca. zwei Monate. Das Projekt ist dann schon im Oktober 2019 gestartet und im Januar 2020 hatte der Minister Zeit uns offiziell den Förderbescheid zu überreichen, der uns natürlich vorher schon schriftlich zugestellt worden war. Gott sei Dank vor Corona.
Hat Corona denn Auswirkungen auf Ihr Projekt gehabt?
Laila Wahle: Ja, durchgehend sehr stark. Wir haben das Projekt wissenschaftlich vom UKSH begleiten lassen. Dazu musste ein Ethikprotokoll erstellt werden, welches alles nach hinten geschoben hat. Wir hatten unsere Stakeholder schon im Boot und konnten dann erst richtig im Januar/Februar starten und im März kam Corona. Die niedergelassenen Ärzte waren sehr stark mit Corona und dem Impfen in den Praxen eingebunden. Im Grunde geht es mit der Projektarbeit erst jetzt wieder richtig los. Das Projektförderung läuft aber am 20.09. dieses Jahres aus, es ist also quasi schon wieder vorbei.
Die Einführung der Telematikinfrastruktur lag ja auch in dieser Zeit. Unsere Anfangsidee war es eine Plattform aufzubauen. Da liegen Sie aber schon bei Innovationskosten von mindestens 1 Million Euro – nur für die Plattform. Mit den 500.000 Euro Fördergeld haben wir aber auch bewiesen, dass wir viel damit erreichen konnten. Unsere zweite Idee war es dann die Kommunikation über die KIM (= „Kommunikation im Medizinwesen“) -Schnittstelle zu realisieren und Dokumente darüber auszutauschen. Diese Schnittstelle ist von den meisten Herstellern aber erst im Januar dieses Jahres eingerichtet worden.
Welche Qualitätsparameter werden mit dem Projekt verfolgt?
Laila Wahle: Wir haben verschiedene KPI ( = Key Performance Indicator) definiert, u. a. das Thema Wiederaufnahme und die Verbesserung der Kommunikation. Dazu haben wir eine Fidelity-Analyse durchgeführt. Das war ein Fragebogen, der an die Niedergelassenen und Krankenhausärzte verschickt wurde, um zuerst den Status Quo zu ermitteln und in dem Annahmen getroffen wurden, die zur Verbesserung der Kommunikation beitragen könnten. Eine Frage war z. B., ob es sinnvoll ist, den Sozialdienst mit Notebooks auszustatten, damit er die Arbeit in der Klinik digital erledigen kann.
Gibt es (Zwischen-)Ergebnisse?
Laila Wahle: Wir haben am Anfang einen Status Quo erhoben, dann haben wir ihn noch einmal überprüft. Der Status wird jetzt zum Ende des Projektes in einer finalen Erhebung angeschaut im Sinne von, was hat das Projekt gebracht und wurde das erfolgreich umgesetzt, was wir im Antrag vorgeschlagen haben. Das Institut für Allgemeinmedizin des UKSH führt eine Evaluation durch. Wir werden einen Abschlussbericht an das Sozialministerium liefern und darin werden die Ergebnisse der Evaluation mit einfließen. Außerdem haben wir vor, die Ergebnisse auch zu publizieren.
Wird die Überführung in die Regelversorgung angestrebt?
Laila Wahle: Der explizite Bestandteil und Anforderung jedes Projektes im Versorgungssicherungsfonds ist es, ein Modell zu entwickeln, das man auch in anderen Regionen in Schleswig-Holstein ausrollen kann. Da wir ein digitales fortschrittliches Projekt angestrebt haben, haben wir kein Handbuch zum Projekt geschrieben, sondern das Projekt modellhaft in einer Software als Login abgebildet. Darin enthalten sind Anteile zu Fragen wie: Welche Stakeholdergruppen werden benötigt; welche Prozesse muss ich betrachten; welche potenziellen Auftragnehmer können diese Prozesse digital unterstützen. Außerdem haben wir einen Standardprojektantrag definiert und Listen wie Aufgabenlisten und Wirtschaftlichkeitsplanung eingepflegt. Wir sind gerade dabei dies als Blueprint aufzulegen, das ist die letzte Phase des Projektes. Dann kann, gemäß der Förderrichtlinie, außer Privatunternehmen jede Institution im Gesundheitswesen, wie Kliniken, KV, Praxis oder auch Vereine sich einloggen und SekMa in der Theorie selbstständig durchführen. Wir haben dem Sozialministerium die Software schon vorgelegt und die waren sehr davon angetan.
Planen Sie Folgeprojekte?
Laila Wahle: Ja, wir planen neue Projekte und jetzt habe ich sozusagen den Beraterhut als Geschäftsführerin von Lacanja auf. Wir haben gerade aktuell ein neues Projekt in den Versorgungssicherungsfonds eingereicht. Der ist derzeit in der Begutachtung. Die Deadline hierfür lag Anfang Juni 2022. Der Antrag liegt im Bereich Kardiologie und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Förderung erhalten. Es beinhaltet auch Telemedizin und ist sektorübergreifend. Dies wird, glaube ich, auch ein sehr spannendes Projekt.
Je nachdem wer jetzt Minister oder Ministerin wird, soll der Versorgungssicherungsfonds möglicherweise verstetigt werden, auch über 2023 hinaus, was uns sehr freuen würde. Wir haben durchaus noch die eine oder andere Projektidee.
Das Gespräch wurde von Dr. Monika Övermöhle und Dr. Frank Christoph geführt.
Anregung: Nähere Info unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/G/gesundheitsdienste/Versorgungssicherungsfonds.html
Vita Dipl.-Ing. Laila Wahle, MBA
Referentin der Geschäftsführung im Städtischen Krankenhaus Kiel sowie seit 2020 Geschäftsführerin der Gastroenterologisch-Hepatologischen MVZ Kiel GmbH
Werdegang:
- Studium der Medizintechnik mit Abschluss Dipl. Ing.
- kaufmännisches Aufbaustudium mit dem Abschluss MBA General Management
- 10 Jahre Industrieerfahrung bei IT- und Medizintechnik Unternehmen
- 12 Jahre Führungserfahrung in verschiedenen Krankenhausverbünden und in der Beratung, im Bereich Digitalisierung und IT und Medizintechnik
- 2019 Gründung eines Startup-Unternehmens in der Beratung für die Digitalisierung von Gesundheitsprozessen.
Aktuell:
Klinikmanagerin für Digitalisierung und Projektmanagment, Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift
- Mehrere Förderprojekte unter anderem SekMa (Sektorübergreifendes Entlassmanagement) aus dem Versorgungssicherungsfonds des Landes Schleswig-Holstein
- Projektleitung für alle Projekte, gefördert durch das Krankenhaus Zukunftsgesetz
- Mehrjährige Führungserfahrung im IT Bereich deutscher Krankenhäuser und in der Beratung
- Schnittstelle zwischen den Anforderungen der Kliniker, den kaufmännischen Interessen der Geschäftsführer und der IT Abteilung
- Starke Prozessfokussierung
- Mehrjährige Projektleitungserfahrung komplexer IT-Projekte im Krankenhaus
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