Talk about mit Dr. med. Dipl. Oec. med. Monika Schliffke

Interview mit Dr. med. Dipl. Oec. med. Monika Schliffke

Vorstandsvorsitzende KVSH, Fachärztin für Allgemeinmedizin

vom 06.03.2019

 

FKQS-SH: Sehr geehrte Frau Dr. Schliffke, unsere erste Frage wäre: Wo sehen Sie die Chancen bzw. Risiken bei der Telematik-Infrastruktur?

Dr. Monika Schliffke: Die Telematik-Infrastruktur ist die Hardware-Basis für ein digitales Kommunikationsnetz. Sie wird jetzt für Ärzte, Psychotherapeuten und Zahnärzte aufgebaut, soll aber auf alle anderen Gesundheitsleister erweitert werden. In den nächsten Jahren ermöglicht sie die vielfältigsten Optionen für medizinische Anwendungen unter der Prämisse von Datensicherheit.

Wie bewerten Sie die Finanzierung der Telematik-Infrastruktur?

Dr. Monika Schliffke: Den Krankenkassen ist der Onlineabgleich der Versichertenstammdaten extrem wichtig. Von daher ist es nur konsequent, dass die Krankenkassen die Anbindung an die TI zahlen. Nach anfänglichen Problemen ist die Finanzierung nun kostendeckend für die nächsten fünf Jahre gesichert. Unmittelbar nach Meldung einer Praxis, dass ein Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchgeführt wurde, überweist die KV den Erstattungsbetrag. So muss niemand in Vorkasse gehen.
Die KVSH hat zusätzlich mit ca. 5 Mio EURO die Prüfung und eine evtl. notwendige Aktualisierung der edv-technischen Peripherie in den Arztpraxen unterstützt, z. B. für Virenscanner, Firewall, Betriebssystem etc.

Wie und in welcher Art haben sie Ihre Mitglieder informiert/unterstützt?

Dr. Monika Schliffke: Wir haben informiert über unsere Gremien, über Newsletter, die Webseite der KV und kontinuierlich über das Nordlicht. Das musste auch so breit geschehen, denn anfangs waren viele Informationen widersprüchlich oder sie bezogen sich nur auf Leistungen einzelner Softwarehäuser. Zweimal wurden inzwischen Fristen seitens des BMG angepasst, was zu Nachverhandlungen zwischen KBV und GKV-SV führte. Die Informationslage zu potentiellen Honorarkürzungen ist immer noch unsicher, das letzte Wort des BMG ist noch offen.

Wie viele Praxen sind derzeit schon an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen?

Dr. Monika Schliffke: Derzeit sind ca. 40 % der Praxen angebunden. Von einem hier in SH besonders aktiven Softwarehaus haben wir gehört, dass inzwischen bis zu 4 Praxen täglich angeschlossen werden. Wie viele Ärzte/Psychotherapeuten sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen eine Anbindung an die TI entscheiden, wissen wir bis Mitte April. Der 31.3. ist der von der Politik gesetzte Stichtag, bis zu dem man eine Bestellung aufgegeben haben muss, um von Honorarkürzungen verschont zu bleiben.

Was wird aus den KV-SafeNet-Anschlüssen? Werden diese weiterlaufen? Wie sehen dann die Kosten aus?

Dr. Monika Schliffke: KV-Safenet ist in die Konnektoren eingebaut. In Zukunft können medizinische Daten sowohl über das Safenet als auch über die TI transportiert werden. Als Nutzer erkennt man keinen Unterschied. Grundsätzlich kann also ein vorhandener Safenet-Router nach TI-Installation abgebaut und der Vertrag gekündigt werden.

Was die Quotenregelung in der Praxisnetz-Richtlinie angeht, so werden wir diese in 2019 aussetzen. Die Praxen können nicht aktiv die Logistik der Softwarehäuser beeinflussen, aber wir gehen davon aus, dass alle Netzpraxen zumindest bis zum Stichtag bestellt haben werden.

Wird aus Ihrer Sicht die Politik den Termin bzgl. möglicher Honorarkürzungen eventuell noch einmal verschieben, weil die Softwarehäuser die Praxen nicht schnell genug ausstatten können?

Dr. Monika Schliffke: Der Punkt ist noch strittig und befindet sich momentan in Verhandlungen auf Bundesebene. Wir erwarten eine komplette Freistellung von Sanktionsandrohungen für alle Praxen, die bis zum 31.3.19 bestellt haben.

Ein zentrales Element der vernetzten Gesundheitsversorgung ist die elektronische Patientenakte (ePA). Wie stehen Sie dazu?

Dr. Monika Schliffke: Unter ePAs verstehen wir die digitalen Patientenakten der Krankenkassen, die nun bald für jeden Versicherten angeboten werden. Sie sind der neue Leitzordner für Gesundheitsbefunde, eine Sammelstelle, die dem Patienten gehört und von ihm gepflegt, d. h. auch gelöscht, werden kann. Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden auf Wunsch des Patienten Befunde in seine Akte schicken können. Dies sollen die Softwarehäuser den Praxen ermöglichen.
Elektronische Arztakten sind etwas ganz anderes. Dazu erhält die KBV jetzt erst mit dem TSVG die Definitionshoheit für die sog. Medizinischen Informationsobjekte, was die wesentliche Voraussetzung für eine elektronische Arztakte ist.

Was passiert, wenn ich mich zwar angemeldet habe, aber keinen Konnektor bekommen habe bzw. keinen Termin zum Anschluss?

Dr. Monika Schliffke: Sofern ich bis zum 31.3.19 bestellt habe, kann ich warten, bis die Techniker kommen. Wir rechnen damit, dass bis Jahresende 2019 alle Installationen abgeschlossen sind.

Wer ist Ihr derzeitiger Ansprechpartner für die Telematik-Infrastruktur?

Dr. Monika Schliffke: Die KV hat hier gar keine Karten im Spiel, aber natürlich hält unsere Telematik-Abteilung engen Kontakt zu allen Softwarehäusern. Für die weitere Entwicklung ist die KBV der Ansprechpartner.

Kommt es durch den Anschluss zu vermehrten Systemabbrüchen oder zu Problemen mit der PVS?

Dr. Monika Schliffke: Nach Aussage unserer Techniker kommt das vor, ist aber sehr selten und kann von den Softwarehäusern behoben werden. Hierzu gehen fast keine Meldungen mehr ein, wahrscheinlich weil die Praxen mit der KV-Aktion im letzten Herbst sich edv-technisch gut aufgerüstet haben.

Die Patienten haben zum Teil noch die alten Versicherungskarten, weil noch gültig. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?

Dr. Monika Schliffke: Darauf hat die KV bereits im letzten Sommer reagiert, als das Problem erstmals bekannt wurde. Wir haben, gemeinsam mit den Zahnärzten, ein Plakat für die Praxen erstellt und schicken dieses sofort nach Installationsmeldung heraus. Mit Hinweis auf dieses Plakat sollten sich Diskussionen zwischen MFA und Versicherten vermeiden lassen. Das scheint auch gut zu klappen, denn wir haben viel Zustimmung dazu erhalten.

Wie gestaltet sich der Umgang mit der Kommunikation mit den Software-Herstellern, z. B. der Hotline?

Dr. Monika Schliffke: Dazu hat die KV keine Informationen.

Haben Sie Ängste bezüglich der Kommunikation über die Telematik-Infrastruktur mit den Krankenkassen – und wenn ja welche?

Dr. Monika Schliffke: Sie sprechen gezielt die Kommunikation mit den Kassen an. Hierzu sagt uns die Technik der TI, dass eine Zwei-Wege-Kommunikation ausschließlich beim VSDM geschieht und dabei keine weiteren Daten austauschfähig sind. Für die Ein-Wege-Kommunikation, z. B. bei der eAU, nutzen wir den SafeMail-Dienst, der eine zusätzliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hat.

Grundsätzlich ist aber Datensicherheit ein Problem mit zwei Komponenten, einem menschlichen und einem technischen. Ängste sind verständlich angesichts der weltweiten Hackeraktivitäten, die immer wieder aufschrecken.

Als Nutzer von Daten müssen wir selbst Sicherheitsvorkehrungen einhalten, insbesondere natürlich bei sensiblen Gesundheitsdaten. Das geschieht heute sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich teilweise noch zu wenig. Von der Technik müssen wir erwarten dürfen, dass sie so aufgestellt ist, dass man ihr nach bestem Wissen vertrauen kann. Mit der TI verspricht man uns dies, gleichzeitig weiß man natürlich, dass es 100 %ige Sicherheit niemals geben kann.

Sehr geehrte Frau Dr. Schliffke, wir bedanken uns für das Gespräch.

Das Gespräch führten: Dr. Claudia Ehrenhofer und Lars Lüdemann

Curriculum Vitae Dr. med. Dipl. Oec. med. Monika Schliffke

Vorstandsvorsitzende Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein, Fachärztin für Allgemeinmedizin

geboren am 03.12.1951 in Rheine

1970 – 1976 Studium der Medizin in Hannover
1977 Approbation als Ärztin
1982 Niederlassung als Ärztin in Ratzeburg
2000 – 2003 Fernstudium Gesundheitsökonomie mit Diplomabschluss
1998 Kreisstellenvorsitzende Kreis Herzogtum Lauenburg
seit 2000 Abgeordnete für den Kreis Herzogtum Lauenburg der KVSH
2004 – 2012 Gründungs- und Vorstandsmitglied Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V.
2010 – 2012 Stellvertretende Vorsitzende der Abgeordnetenversammlung der KVSH
seit Juli 2012 Vorstandsvorsitzende der KVSH