Talk about mit Patrick Reimund und Carmen Brinkmann
Interview mit Patrick Reimund, Geschäftsführer Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein und
Carmen Brinkmann, Justiziariat, stellvertretende Geschäftsführerin
vom 05.09.2018
FKQS-SH: Wie unterstützen Sie Ihre Mitglieder bezüglich des Entlassmanagements?
Patrick Reimund / Carmen Brinkmann: Ein Entlassmanagement in den Kliniken ist nicht neu. Schon vor Einführung der Neuregelungen des § 39 Abs. 1 a SGB V und des Rahmenvertrages waren in den Häusern entsprechende Prozesse etabliert. Neu ist die Vielzahl verpflichtender und aus unserer Sicht nicht immer sinnvoller Vorgaben zu Organisation und Verfahren. Diese Vorgaben gilt es in den Klinken umzusetzen. Wir als Krankenhausgesellschaft SH versuchen diese Umsetzung durch Information, Beratung und gegenseitigen Austausch zu unterstützen.
Bedarf es aus Ihrer Sicht noch Unterstützung seitens der Krankenkasse bzw. der Gesetzgebung?
Patrick Reimund / Carmen Brinkmann: Auch die Krankenkassen sind in der Pflicht. Nach den gesetzlichen Regelungen und dem Rahmenvertrag haben sie die Durchführung des Entlassmanagements zu unterstützen. Hier wünschen wir uns den Aufbau verlässlicher Strukturen. Ansprechpartner müssen erreichbar und zu Entscheidungen in der Lage sein. Es kann nicht sein, dass sich der Entlassungsprozess allein deshalb verzögert, weil für die Anschlussversorgung erforderliche Genehmigungen – z. B. im Bereich der Hilfsmittelversorgung – nicht zeitnah erteilt werden können. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass auf der anderen Seite die Krankenkassen die Übernahme jedweder Kosten ablehnen, die den Krankenhäusern entstehen, wenn Patienten wegen des Fehlens einer Anschlussversorgung länger im Krankenhaus verbleiben müssen..
Haben Sie schon Erkenntnisse, wie die die Verordnungen geprüft bzw. sanktioniert werden?
Patrick Reimund / Carmen Brinkmann: Die Möglichkeit, im Rahmen des Entlassmanagements erforderliche Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege sowie Soziotherapie verordnen zu können, ist neu und grundsätzlich zu begrüßen. Die konkrete Ausgestaltung des neuen Verordnungsrechts ist aber leider nicht immer praxisnah erfolgt. So dürfen Verordnungen grundsätzlich nur durch Fach- und nicht auch durch die auf den Stationen tätigen Assistenzärzte vorgenommen werden. Die Ausstellung hat am Entlasstag zu erfolgen, was bspw. im Bereich der Hilfsmittel oder der häuslichen Krankenpflege nicht praktikabel ist, da deren Organisation einen entsprechenden Vorlauf erfordert.
Auch darf man die Neuregelungen nicht dahin gehend missverstehen, dass nun jeder Patient bei der Entlassung entsprechende Verordnungen erhält. Eine Verordnung darf nur ausgestellt werden, wenn sie für die Überbrückung der Übergangsphase von der stationären zur ambulanten Versorgung tatsächlich erforderlich ist. Dies ist vom Krankenhausarzt zu prüfen. Zu prüfen ist auch, ob statt der Verordnung vorrangig eine Mitgabe von Arzneimitteln zu erfolgen hat. Entsprechend dieser Vorgaben werden Verordnungen in den Kliniken nach unserem Eindruck daher zu Recht eher restriktiv gehandhabt.
Wirtschaftlichkeitsprüfungen sind uns im Zusammenhang mit dem Entlassmanagement bislang nicht bekannt. Wir gehen aber davon aus, dass die Kassen die Ausgaben in diesem Bereich genau prüfen werden. Verordnungen von teuren Medikamenten werden dabei vermutlich als erstes ins Visier genommen.
Was würden Sie sich noch bezüglich des Entlassmanagements für Ihre Mitglieder wünschen?
Patrick Reimund / Carmen Brinkmann: Ein zentrales Problem ist und bleibt die fehlende Refinanzierung. Die Umsetzung des neuen Entlassmanagements erfordert erhebliche personelle und sachliche Ressourcen. Auf diesen Kosten bleiben die Häuser bislang sitzen. Dies ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
Wünschen würden wir uns zudem, dass man die Neuregelung nach nun einem Jahr „Praxistest“ einer kritischen Bewertung unterziehen und an den entsprechenden Stellen korrigieren würde. So hat sich bspw. gezeigt, dass die in der Rahmenvereinbarung zwingend vorgesehenen Formulare zur Patienteninformation und Einwilligung einen Umfang haben, der eine Vielzahl der Patienten überfordert und einen erheblichen Erklärungsbedarf seitens der Klinikmitarbeiter nach sich zieht. Gleiches gilt für Patienten ohne Deutschkenntnisse, für die es bislang keine einheitlich abgestimmten Übersetzungen gibt. Nach wie vor ungeklärt ist auch der Umgang mit Patienten, die nicht in das Entlassmanagement einwilligen. Problematisch wird dies insbesondere, wenn der Patient ohne ein Entlassmanagement nicht entlassen werden kann, weil bspw. eine Verlegung in eine Reha- oder Pflegeeinrichtung notwendig ist oder der Patient direkt nach der Entlassung ein Hilfsmittel benötigt, die erforderliche Anschlussversorgung aber ohne Einwilligung nicht organisiert werden darf.
Nach der umfassenden Strukturierung der Entlassung würden wir uns gleiches für die Einweisung wünschen. Auch den Krankenhäusern sollten bei der Aufnahme des Patienten aus dem ambulanten Bereich die notwendigen Informationen zu bspw. sozialem Umfeld, Pflegebedürftigkeit und Medikation rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden müssen.
Das Gespräch führten: Dr. Claudia Ehrenhofer, Dr. Monika Övermöhle, Yvonne Leichsenring und Dr. Herme Rijnberk
Patrick Reimund
Geschäftsführer Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein
Jahrgang 1961, Studium der Volkswirtschaftslehre in Frankfurt am Main,
seit 1987 Referent bei der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein,
seit Juni 2018 Geschäftsführer des Verbandes
Carmen Brinkmann
Justiziariat, stellvertretende Geschäftsführerin Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein
Jahrgang 1975, Studium der Rechtswissenschaft und Rechtsreferendariat in Kiel,
seit 2003 Referentin bei der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein,
seit August 2018 auch stellvertretende Geschäftsführerin